Ausgabe 19 - 14. März 2023 - Das Fremde in uns
Show notes
ROMANTICK - Gefühle, Gedanken, Geschichten: Der Podcast von Axel Wolph.
Axel Wolph schreibt endlich (wieder). Nicht nur Songs und Liedertexte, nein, er startet seinen eigenen, ersten Podcast, schreibt und liest Essays und Kurzgeschichten. Ehrliche, autobiografische Einblicke in ein Künstlerleben, das mit einer wildromantischen Kindheit einst seinen Anfang fand...
Show transcript
PODCAST Ausgabe 19 - 14.03.23
SIGNATIONBEGRÜßUNG
TITEL: Das Fremde in uns
TITEL: Wusstest du, dass der Schimpanse und der Mensch genetisch verwandter sind als der Afrikanische und Indische Elephant? Oder wusstest du, dass aus einem menschlichen Elternpaar mehr als sieben Millionen unterschiedliche Kinder, ja individuelle, neue Menschen entstehen könnten? Wusstest du, dass wir alle - Inzuchtkinder mal ausgenommen - Kinder von zwei ursprünglich Fremden sind?
Ich finde solche Fakten und dadurch genährten Überlegungen immer wieder überraschend, geistig erfrischend und auch berührend. Alleine, wenn man bedenkt, wie unfassbar wichtig sich der Mensch selbst nimmt - sind wir doch alle unterm Strich nur Affen mit einem etwas zu großen Hirn, meistens weniger Körperbehaarung und meistens einem etwas aufrechteren Gang. Klar, Schimpansen sind evolutionär betrachtet bei der Verwendung von einfachsten Werkzeugen wie Steine und Stöcke stehen geblieben, der Mensch hat so beachtliche Dinge erschaffen wie das Flugzeug, die Golden Gate Bridge, „Imagine“, das Klavier, den „Wanderer über einem Nebelmeer“, das Motorrad oder den Tennisball - um spontan nur ein paar Kleinigkeiten zu nennen. Und trotz aller Geniestreiche bin ich mir bis dato noch nicht ganz sicher, ob der Schimpanse unterm Strich nicht doch die wesentlich intelligentere Version der beiden Affenarten ist und bleibt. Nur, weil sich der Mensch selbst für wichtiger, besser und wertvoller hält, muss es noch lange nicht so sein. Auf die Frage „Mit welchen Waffen wird der Mensch im dritten Weltkrieg kämpfen?“ antwortete, der von mir so geschätzte Albert Einstein in den 1940er Jahren einmal mit den Worten: "I do not know with what weapons World War III will be fought, but World War IV will be fought with sticks and stones.“ Da wären wir dann also wieder auf der gleichen Ebene wie unsere nahen Verwandten. Und wenn man sich die Geschehnisse auf diesem Planeten derzeit ansieht, bekommt man schnell den Eindruck, dass sich viele Abarten und Mutanten der Menschheit dieses Werkzeug wieder sehr bald herbeisehnen. Schauderhafter Wahnsinn. Tagtäglich. Aber da möchte ich gedanklich heute, hier und jetzt wahrlich nicht hin. I don’t wanna go there…
Ich finde solche Fakten und dadurch genährten Überlegungen immer wieder überraschend, geistig erfrischend und auch berührend. Alleine, wenn man bedenkt, wie unfassbar wichtig sich der Mensch selbst nimmt - sind wir doch alle unterm Strich nur Affen mit einem etwas zu großen Hirn, meistens weniger Körperbehaarung und meistens einem etwas aufrechteren Gang. Klar, Schimpansen sind evolutionär betrachtet bei der Verwendung von einfachsten Werkzeugen wie Steine und Stöcke stehen geblieben, der Mensch hat so beachtliche Dinge erschaffen wie das Flugzeug, die Golden Gate Bridge, „Imagine“, das Klavier, den „Wanderer über einem Nebelmeer“, das Motorrad oder den Tennisball - um spontan nur ein paar Kleinigkeiten zu nennen. Und trotz aller Geniestreiche bin ich mir bis dato noch nicht ganz sicher, ob der Schimpanse unterm Strich nicht doch die wesentlich intelligentere Version der beiden Affenarten ist und bleibt. Nur, weil sich der Mensch selbst für wichtiger, besser und wertvoller hält, muss es noch lange nicht so sein. Auf die Frage „Mit welchen Waffen wird der Mensch im dritten Weltkrieg kämpfen?“ antwortete, der von mir so geschätzte Albert Einstein in den 1940er Jahren einmal mit den Worten: In meinen wöchentlichen Kurzreferaten und Aufsätzen geht es bekanntlich um andere Gefühle, Gedanken und Geschichten. Ich schaue nur mehr ganz selten bewusst Nachrichten und versuche stattdessen viel lieber mein Dasein als Mensch so gut wie mir möglich zu erfüllen.
Übrigens: Seit gut zwei Wochen höre und studiere ich das Hörbuch „The Creative Act: A Way of Being“ von Rick Rubin, in der englischen Originalversion sogar von ihm selbst grandios eingesprochen. Und ja, ich schätze diesen Mann schon seit meinen musikalischen Anfängen vor ca. 30 Jahren sehr. Sein eigenes Buch fühlt sich für mich beinahe wie eine Bibel an. Und dies, obwohl ich keinen Fanatismus von mir kenne. Er spricht mir einfach aus der Seele und dafür bin ich ihm unbekannterweise sehr dankbar. Ich lege jedem Künstler, nicht unbedingt nur Musikern, dieses Buch oder Hörbuch ans Herz. Und es beflügelt mich auch wieder, meiner großen Leidenschaft Musik wieder stärker nachzugehen. Nichts schöner, als aus dem Nichts etwas Hör- und Erlebbares zu erschaffen. Meine Selbsterkenntnis von vorhin, ja, tagtäglich mein Dasein als Mensch so gut wie mir möglich zu erfüllen, hat sich mittlerweile auch schon in einer von vielen neuen Songideen manifestiert. Da singe ich schönerweise mit einer wunderschönen Melodie in Verbindung im Memo am über hundert Jahre alten Lauberger und Gloss Concertpiano die Zeile „I wanna be the best version of me. I wanna be as good as I can be.“ Und jedes Mal, wenn ich mir dieses Songmemo am Klavier anhöre, rührt es mich zu Tränen. Weil genau DAS, möchte ich täglich am liebsten sein - für mich und jene Menschen, die ich liebe: the best version of me.
Ja, ich schreibe wieder und ich freue mich schon wie der fünfjährige Bub damals aufs Christkind (eigentlich auf die Geschenke, aber egal) auf die kommenden Aufnahmen. Ich möchte meine bisherigen musikalischen Welten und Stile alle miteinander vereinen. Egal ob instrumentale Musik, also mit oder ohne Lyrics in englischer oder in deutscher Sprache. Alles was ich bin, denke und fühle, möchte ich zum Klingen bringen. Alles zu einem Ganzen vereinen - alles was ich als Musiker, Mensch und Künstler bin, darf sein. Keine Restriktionen von außen, keine fremden Belehrungen, keine Zurechtweisungen, keine inhaltslosen Erfolgskonzepte, keine Aufklärungen und keine Gedanken darüber, ob und wie Musik kommerziell erfolgreich sein könnte oder müsste. So wie es auch Rick Rubin sinngemäß so schon am Punkt formuliert: „First there is the art, then there is you, the audience always comes last.“ Wenn man sich selbst und die eigene Kunst tatsächlich ernst nimmt und leben möchte - und wir reden hier noch lange nicht von Egomanie oder so nen Scheiß - dann nimmt man sich im Zuge des Schaffens und Erschaffens ganz bewusst und gesund von derlei Gedanken und Umgebungen raus. Tag für Tag formt sich mein inneres Bild meiner neuen Musik immer mehr. Sie wird sehr laut und auch sehr leise, weit und intim, eingängig und sperrig. Ich möchte meine musikalische Sprache weiterentwickeln, wieder mutig sein, experimentieren und Dinge wieder bewusst falsch machen. Ich möchte meine Comfort-Zonen verlassen, wahrlich kreativ sein und nicht so wie bei meinem „Romantick“ Album möglichst vielen gefallen, ja nichts falsch machen und mit angezogener Handbremse auf einem mir ewig bekannten Rundkurs neue Bestzeiten erzielen wollen. Eine billige Metapher, ich weiß, aber zutreffend und vor allem für mich als noch lebender Künstler von Wert. Ich lebe, also bin ich. Ich fühle, also bin ich. Ich liebe, also bin ich. Ich schaffe, also bin ich. Dies heißt nicht, dass ich mit den zuletzt veröffentlichten Songs als solches nicht zufrieden bin - nein, auch den Sound finde ich gut. Das abgelieferte und veröffentlichte Material ist ein Spiegel dieser von mir durchlebten Zeit nach dem Ableben meiner Mum, die Zeit der Pandemie, die Zeit von großer und permanenter Fremdbestimmung von außen. Ich kritisiere hier einzig und alleine mich selbst in der Retrospektive. Ja, auch kritische Selbstwahrnehmung ist Teil des Künstlerseins. Es ist ein Weg der Erfüllung und des Scheiterns. Dass viele damit nicht umgehen können, ist verständlich, geht mich aber unterm Strich nichts an. Wie sagte mein spiritual teacher Alexander in Wien damals so schön: „Was jemand anderer von dir denkt, geht dich grundsätzlich nichts an - es ist seine oder ihre Privatsphäre.“
Ehrlichkeit zu sich selbst ist wahrlich keine weitverbreitete, menschliche Eigenschaft. Sie tut oft schlicht weh und deshalb wird sie vermieden. Ich habe auch lernen müssen, dass man kritische Selbstbetrachtungen am besten niemals mit anderen Menschen teilen sollte. Jedenfalls nicht in der emotionalen Intensität, wie sie meistens de facto stattfindet. Wer mich gut kennt, weiß, dass ich immer wieder aufstehe und weitergehe. Gerade deswegen! Und ich halte das „Romantick“ Album als Vinyl und CD immer noch gerne in den Händen - auch mit Phreude in Verbindung. Aber eins ist auch klar: the best is yet to come. Es ist noch nicht aller Tage Abend und viel Neues gedeiht gerade in mir.
Dies bringt mich sogleich zu meiner zweiten Eingangsfrage von heute: Wusstest du, dass aus einem menschlichen Elternpaar mehr als sieben Millionen unterschiedliche Kinder, ja individuelle, neue Menschen entstehen könnten? Schon beachtlich, oder? Von den ca. sieben Millionen Möglichkeiten von Athena und mir sind drei real geworden. Diese drei Genkombinationen und neue Lebewesen dürfen wir nun hier lebendig erleben und in ihr eigenes Leben begleiten und unterstützen. Herrlich, wenn oft auch sehr fordernd und manchmal auch überfordernd - dies liegt aber seltenst an ihnen selbst und meistens an den üblichen äußeren Fremdbestimmungen. Denkt man das hiesige Schulsystem, so wird einem schnell klar, dass Konformität immer noch größer geschrieben wird als Individualität. Aber wem sag ich das. Mein männlicher Genspender meinte einst Mal zu mir: „Es ist schon unglaublich, aus welchem Schleim ein Mensch entsteht!“ Dies finde ich bis heute, ja witzig und ja, er hat recht damit. Das Wunder Leben ist und bleibt das Wunder Leben. Und das Leben ist und bleibt überall, egal ob wir, also du oder ich nun existieren oder nicht. Das Leben ist das Ist und wir haben es nur für unsere Lebenszeit geliehen, ja geschenkt bekommen. Schon grandios.
Dies erinnert mich gerade an ein Erlebnis als kleiner Bub, damals bei unsrem Teich im Steinbruch mit Höhlen Garten meiner wildromantischen Kindheit. Schon damals angelte, oder wie man hierzulande sagt, fischte ich gerne. Auch in unserem kleinen Teich mit Rotaugen, Karpfen und Hechten und allem was dazu gehört. Eines Tages fing ein damaliger Kinderfreund von mir (wenn ich ihn heutzutage irgendwo auf der Straße gehen sehe, bin ich immer wieder aufs Neue verblüfft, dass dies der selbe Mensch von früher ist, nur mehr als dreißig Jahre später…) einen schönen, ca. 60-70 Zentimeter großen Hecht. Meine Mutter war begeistert und somit wurde der beachtliche Fang nicht wieder in den Teich entlassen, sondern vom erfolgreichen Kinderfreundfischer getötet und filetiert. Er drückte mir dabei plötzlich das zur Gänze ausgelöste Herz des Hechtes in die Hand. Ekelhaft, dachte ich zuerst. Zu meinem großen Erstaunen schlug dieses noch. Und zwar noch lange - meiner Erinnerung nach über zwei Stunden lang. Einfach nur ein kleines Fischherz, ohne Körper, ohne irgendwas. Ich war echt zutiefst erstaunt und berührt davon, wie stark das Leben an sich sein kann beziehungsweise ist. An den Gedanken „Wow, ich habe auch so ein Herz!“ kann ich mich auch noch erinnern. Ich fühlte mich plötzlich unbeschreiblich verbunden mit diesem anderen Lebewesen. Und ich fragte mich: „Was lässt diesen seltsamen, kleinen Fleischhaufen schlagen, ja an- und entspannen?“ Als das Herz dann in meiner Hand schließlich zu schlagen aufhörte wurde ich traurig - und auch an diese Traurigkeit, kann ich mich heute noch gut erinnern.
Und bevor dies jetzt zur schauderhaften, fast schon „Wednesday“ (ja, diese Netflix Serie haben wir tatsächlich gerade als Familie geschaut und für empfehlenswert befunden) mäßigen Grusel- und Trauergeschichte wird, möchte ich noch zur dritten Eingangsfrage von heute kommen. Ich drehe die Frage aber zuerst zu einer klaren Erkenntnis um: Jeder von uns ist das Ergebnis von zwei ursprünglich fremden Menschen. Ja, natürlich, ich sage es jetzt besser nochmals dazu, Inzuchtkinder mal ausgenommen. Ich rede aber hier jetzt nicht von abartigen Ausnahmen der Gegenwart oder gar der gruseligen habsburgerischen Familien-Vorgeschichte unseres Landes, sondern von den meisten, ja üblichen Fällen, wie neues menschliches Leben entsteht. Auch jeder Nazi oder rassistischer, fremdenfeindlicher Vollidiot (natürlich auch gegendert gültig), der Fremdes gezielt oder unbewusst, also schlicht dumm verwendet, um Menschen gegeneinander aufzuhetzen, entspringt dem Erbgut zweier ursprünglich Fremder. Lustig, oder? Die Menschheit ergibt in ihrer Diversität und Individualität ein großes Ganzes. Wer dies bis heute noch nicht begriffen hat, steht wohl evolutionär noch eher auf der Stufe des Schimpansen, wobei ich natürlich keinem unserer so nah verwandten Affenkollegen so etwas wie Rassismus unterstellen möchte. Wie es bei den Schimpansen allerdings mit Inzucht aussieht, weiß wohl die beachtliche Schimpansenforscherin Jane Goodall am besten. Ich weiß, dass ich nichts weiß.
Und bevor dies jetzt zur schauderhaften, fast schon „Wednesday“ (ja, diese Netflix Serie haben wir tatsächlich gerade als Familie geschaut und für empfehlenswert befunden) mäßigen Grusel- und Trauergeschichte wird, möchte ich noch zur dritten Eingangsfrage von heute kommen. Ich drehe die Frage aber zuerst zu einer klaren Erkenntnis um: Egal, ob nun Indischer oder Afrikanischer Elephant, egal ob ein kleiner Schimpanse oder einer meiner drei Söhne, egal ob ein Hecht im Nirgendwoteich oder der beeindruckende Rick Rubin, egal ob Einstein oder ein hirnverbrannter Rassist, egal ob meine Lebenspartnerin oder ein neuer Fremder, der oder die schon nach kurzer Zeit zu einer neuen Vertrauensperson werden kann. Wir alle haben diese Lebenszeit nur geliehen, ja für ein paar Jahre oder Funken des ewigen Lebens geschenkt bekommen. Wir alle haben die Chance, die beste Version von uns selbst zu sein. Und demnach gilt es die Zeit zu nützen, denn sie ist rar.
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