Ausgabe 16 - 21. Februar 2023 - Rollenspiele im Theater Leben
Show notes
ROMANTICK - Gefühle, Gedanken, Geschichten: Der Podcast von Axel Wolph.
Axel Wolph schreibt endlich (wieder). Nicht nur Songs und Liedertexte, nein, er startet seinen eigenen, ersten Podcast, schreibt und liest Essays und Kurzgeschichten. Ehrliche, autobiografische Einblicke in ein Künstlerleben, das mit einer wildromantischen Kindheit einst seinen Anfang fand
Show transcript
PODCAST Ausgabe 16 - 21.02.23
SIGNATIONBEGRÜßUNG
TITEL: Rollenspiele im Theater Leben
TITEL: Heute ist also Faschingsdienstag. Juhu. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr mir der Fasching immer schon am A….. vorbei ging. Schon als Kind war es mir immer zu blöd, mich zu verkleiden - ja, ich hatte schon als kleiner Romanticker damals keine Lust bei derartigen Massenphänomenen mit dabei zu sein. Irgendwer sagt „Heute ist Fasching, heute dürfen wir uns verkleiden!“ und alle tun es. Widerlich, lächerlich. Aber so unterschiedlich sind eben die Geschmäcker.
TITEL: Da heute in unsrem kleinen Ort hier an der Donau ein riesiger Faschingsumzug stattfand, herrschte den ganzen Tag lang Chaos. Also nicht in unserer Straße, aber überall rundherum. Wir wurden verschont und ich konnte ein paar Augenblicke in der frühlingshaften Sonne verbringen. Man riecht den Frühling - dieser Duft tut der von Winter und Covid und dem Arschgesicht Februar angeschlagenen Seele gut und macht Hoffnung, dass es schon bald wieder woam werdn wird. Hier sagt man übrigens „jetzt gspiat ma scho in Tog“ und meint damit, dass die Tage wieder länger werden. Im Herbst, wenn die Tage wieder kürzer werden, sagt man das auch. Schön.
TITEL: Ich hab heute während meiner kleinen Motorradrunde mit unserem Mini Cooper (die Mopeds stehen noch in der Garage) demnach die schrägsten Gestalten und Kostüme gesehen - schon beachtlich wofür so manche diesen ach so witzigen Verkleidungstag verwenden, ja missbrauchen. Und parallel dazu wird die Debatte geführt, ob man sich als weißer Mitteleuropäer überhaupt noch fremdes Kulturgut aneignen darf, sprich sich als Indianer oder Cowboy überhaupt noch verkleiden darf. Unglaublich, wie absurd das Ganze. Ich sah viele Schneemänner, Männer als Frauen, Frauen als Männer, Frauen als Polizisten, Polizisten als Polizisten, Sparmarkt KassiererInnen als Erdbeeren, viele Cowboys und Indianer, ein paar Gabaliers und ja, auch manche Bänker. Geil, dachte ich, welch schauderhaftes Leben muss man wohl führen, um im Fasching dann als Bänker zu gehen. Hallelujah.
TITEL: Ich habe mir heute also meine weißen langen Haare auf einen Dutt zusammengebunden und bin in der Rolle eines hippen, urbanen Landeimittvierzigers und schwarze Hornbrille Trägers im hippen urbanen Engländer mit Bayrischem Dreizylinderherz herumgecruist. Und da musste ich u.a. auch an eine Situation an einem Faschingsdienstag vor ein paar Jahren hier im kleinen Markt an der Donau, damals noch als ziemlich frischer Rückkehrer aus den Metropolen Los Angeles und Wien, denken. Damals holte ich meinen mittleren Sohn Matti von der Volksschule ab. Am Weg dorthin im hippen schwarzen, bayrischen Familienkombi hielten mich vorm Friedhof zwei Polizisten auf. „Fahrzeugkontrolle, Führerschein und Zulassung, bitte.“ Gesagt, getan. Am Vortag hatte ich mit meiner Herzensdame Athena ein Studio-Musikhören-Sitin und mit Sicherheit ein paar Biere getrunken. Am Morgen war ich jedoch schon laufen gewesen und somit hoffte ich, dass der von beiden Beamten eingeforderte Alkotest, eingeleitet mit den Worten „Habens eh sicher scho amoi blosn, oda?“, keine negativen Überraschungen mit sich bringt. Ich hatte tatsächlich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie blasen müssen, um bei dieser fragwürdigen Wortwahl zu bleiben. Ja, ich war jungfräulicher Alkobläser und so stellte ich mich auch irgendwie an. Egal, das Ergebnis war zu meinem Erstaunen 0,0 Promille und sie ließen mich wieder weiterfahren, alles paletti und streberhaft in Ordnung. Nur ein paar Meter später dachte ich, „Jetzt hast du DIE große Chance verpasst, den beiden Typen einfach für die gut gelungene und sehr authentisch wirkende Verkleidung zu gratulieren und einfach weiter zu fahren.“ Das wärs gewesen - einfach kurz stehenbleiben vor den beiden Autoritätsjüngern, Fenster runter und so was wie „Hey Burschen, schaut echt echt aus, gratuliere!“ und einfach weiterfahren. Tja, ich war zu langsam im Denken und zu unmutig und geschwächt vom Vortag. Weiter im heutigen Text - der mich noch was weiß ich wohin führen wird. Ich habe heute überhaupt keine Lust zu schreiben und mich de facto selbst ins Studio getreten. Auch gestern gab es seit längerem mal wieder ein Studio-Musikhören-Sitin und mein Kopf gleicht eher noch einer fauligen Matschbirne als einem Rechenzentrum eines exhippen Pseudointellektuellen.
TITEL: Als Kind ging ich jedenfalls immer als Indianer zum Fasching. Ohne schlechtem Gewissen irgendeiner Minderheit nicht den nötigen Respekt zu zollen. Lächerlich. Ich lebe in meinem Leben schon genug Rollenspiele Tag ein und Tag aus. Ich bin Vater, Lebenspartner, Freund, Songwriter, Komponist, Produzent, Tennisspieler, Tennislehrer, Motorradfahrer, Medienkünstler, Gärtner, Maler, Podcaster, Schriftsteller, etc., ich wüsste ehrlich gestanden nicht einmal in welche Rolle ich am Faschingsdienstag schlüpfen möchte. Wenn, dann eher was Mutigeres, denke ich, irgendwas zu mir als notorischer Romanticker richtig gut Passendes und leicht Abschreckendes - als Pornostar, zum Bespiel. Wie damals in Los Angeles an der mitternächtlichen Supermarktkassa. „Was war denn da?“ denkst du jetzt vielleicht. Tja, eine schöne Geschichte aus meiner Vergangenheit kommt mir da gerade in den Sinn und passt auch ganz gut zum anscheinend heutigen Thema meiner sechszehnten Podcast Ausgabe namens „Rollenspiele im Theater Leben“. Schöner Titel.
TITEL: Damals fuhr ich kurz vor Mitternacht mit meinem PT Cruiser in LA noch zum Supermarkt. Ich hatte den ganzen Tag geschrieben und an Songlayouts für bevorstehende Studioaufnahmen gearbeitet und verspürte die Lust auf Bier. Meine Landlady Nina, ihres Zeichen Photographin in der Stadt der verlorenen Engel, hatte ebenso Lust auf Alkohol und so nahm ich ihre Rotwein-Bestellung entgegen und begab mich rasend zum nahe gelegenen Vons Supermarket. Praktisch für Süchtlinge und/oder Nachteulen jedweder Art ist es in Los Angeles, dass Supermärkte rund um die Uhr geöffnet haben. Manchmal echt creepy, wenn man um Mitternacht oder später in einen riesigen, meist menschenleeren Supermarkt geht, aber so ist es eben und man nimmt an, was man haben kann. In den Wochen davor fiel mir in diesem Riesengreißler eine schwarze oder besser gesagt afroamerikanische Angestellte mit extrem lauter Stimme und der Statur einer typischen „Big Mama“ auf. Auch ihr Drang nach Smalltalk mit jeder und jedem fiel mir unangenehm auf, da ich es wahrlich nicht ausstehen kann, wenn man immer und überall mit jedem über irgendwas Belangloses sprechen muss. No, I am not a smalltalk guy. Eine Offenbarung. An diesem Abend war sie die einzige, die noch Dienst hatte. Ich holte mir ein Bier, irgendwelche Cracker dazu und für Nina eine Flasche Rotwein und ging zur Kassa. Dort wartete Big Mama schon auf mich - und ein paar Kunden. Genauso wie ich Smalltalk liebe, liebe ich es auch mich an einer Supermarktkassa anstellen zu müssen - habe ich doch schon seit vielen Jahren das fertige Konzept für das drahtlose Selbstbezahlen im Supermarkt in der Schublade. Auch hierzulande halte ich es kaum aus, wenn zehn Menschen vor mir an der Kassa sind und dann auch noch die Kupfermünzen im Portmonnaie zusammenkratzen, oft begleitet von den Worten „So, passts jetzt?“. Ich könnte durchdrehen. Oder laut fluchen wie im Auto, wenn mal wieder jemand hinterm Lenkrad eingepennt ist. Seit ich den von mir - Achtung an die Esoterikpolizei da draußen, jetzt könnte es für euch unausstehlich werden - ja, den von mir sehr geschätzten Eckhart Tolle kenne, übe ich mich in Stille und dem Annehmen des Momentes, wenn ich an der Kassa von MitbürgerInnen in meinem Flow aufgehalten werde. Ich versuche nichts zu sagen und fluche maximal nur nach innen.
Weiter im Text. Damals kam ich also an die Kassa. Vor mir ca. sieben Personen mit ihren Einkäufen. Mit jeder und jedem startete die Dame mit dem Megaorgan einen für alle hörbaren Smalltalk, während sie die Lebensmittel und Spirituosen über den Strichcodescanner zog. Ich langweilte mich zu Tode und fürchtete mich zugleich schon vor meiner Zwangsbegegnung mit ihr. Eines muss ich vorweg auch noch erwähnen - und zwar mein damaliges Aussehen und Auftreten: Ich trug eine grauweißschwarz gemusterte Hose, dazu ein schlichtes Sakko, einen Tweedhut, eine riesige weiße Plastik-70s-Designerbrille, einen Porno-Kipferlbart und dazu meist noch ein schlichtes oder auch auffälliges Hemd. Ja, so fühlte ich mich damals in meiner Künstlerhaut wohl. Ich wollte, wie bekanntlich wir alle, gesehen und im besten Falle auch geliebt werden. Heute trage ich meistens schwarze, schlichte Kleidung und nur mehr bunte Socken und manchmal bunte Unterhosen - so viel Ehrlichkeit muss schon sein.
Plötzlich, es standen in etwa zehn weitere Kundschaften hinter mir, kam ich an die Reihe. Die Big Mama Kassadame starrte mich zuerst theatralisch an, um mit den Worten „Show me your ID, please!“ aufgrund der am Förderband liegenden Alkoholika fortzufahren. Ich gab ihr meinen rosafarbenen Österreichischen Führerschein - noch einen alten. Also einer der Generation rosa Fetzen, gemacht aus einer Mischung aus Stoff und Papier, meistens leicht bis stark zerfleddert und wie in meinem Falle einem Photo eines achtzehnjährigen jungen Mannes mit langen, blondierten Haaren. Die Dame nahm den Führerschein mit den lauten Worten „Oh my god, what’s that!?“ entgegen. Dann schwieg sie für ein paar Augenblicke, während sie meinen Führerschein aufmerksam begutachtete und offensichtlich auch zu lesen versuchte. Dass sie damit den Betrieb an der Kassa noch weiter bremste, war ihr offensichtlich scheiß egal. Ganz im Gegenteil. Wie aus dem Nichts sagte sie dann mit voller Stimme coram publico die folgenden Worte: „You are a porn star right?! That’s why I know you!“ Sie starrte mich an, ich starrte wortlos und perplex, ja gelähmt wie nach nem Stromstoß zurück. Die Leute hinter und neben mir starrten mich auch an. Manche fühlten sich sogleich auch an mich als Pornostar erinnert. Ich dachte nur „Das hat sie jetzt nicht wirklich gesagt - Mama hilf mir bitte.“ Dann stammelte ich in die Stille die Worte „No, I am a singer-songwriter and musician…“ Sie beugte sich über das Förderband, legte dabei ihre Riesenbrüste auf meine Bierdosen, schlug mir kumpelhaft an die Schulter, wie es sonst nur mein Vater macht, wenn er mir was erzählen möchte und sagte „Just kiddin’, boy. Was a good one, ha?“ Ich lachte mit ihr und allen rundherum - ach, wie witzig. Ach wie hatten wir es alle lustig auf meine Kosten. Heute kann ich auch schon drüber lachen, aber damals dachte ich echt, ich bin im falschen Pornofilm.
Plötzlich, es standen in etwa zehn weitere Kundschaften hinter mir, kam ich an die Reihe. Die Big Mama Kassadame starrte mich zuerst theatralisch an, um mit den Worten „Show me your ID, please!“ aufgrund der am Förderband liegenden Alkoholika fortzufahren. Ich gab ihr meinen rosafarbenen Österreichischen Führerschein - noch einen alten. Also einer der Generation rosa Fetzen, gemacht aus einer Mischung aus Stoff und Papier, meistens leicht bis stark zerfleddert und wie in meinem Falle einem Photo eines achtzehnjährigen jungen Mannes mit langen, blondierten Haaren. Die Dame nahm den Führerschein mit den lauten Worten „Oh my god, what’s that!?“ entgegen. Dann schwieg sie für ein paar Augenblicke, während sie meinen Führerschein aufmerksam begutachtete und offensichtlich auch zu lesen versuchte. Dass sie damit den Betrieb an der Kassa noch weiter bremste, war ihr offensichtlich scheiß egal. Ganz im Gegenteil. Wie aus dem Nichts sagte sie dann mit voller Stimme coram publico die folgenden Worte: Was lernen wir daraus? Natürlich nicht wirklich fiel. Außer, dass man die eigene Rolle auch noch so gut mit Äußerlichkeiten herauszeichnen und betonen kann - was jemand gegenüber dann für sich annimmt und daraus schließt, ist immer eine andere Frage. Mein spiritueller Lehrer Alexander damals in Wien sagte immer so schön, „Was jemand von dir denkt, geht dich nichts an - es ist ihre oder seine Privatsphäre.“ und dem stimme ich bis heute zu.
Plötzlich, es standen in etwa zehn weitere Kundschaften hinter mir, kam ich an die Reihe. Die Big Mama Kassadame starrte mich zuerst theatralisch an, um mit den Worten „Show me your ID, please!“ aufgrund der am Förderband liegenden Alkoholika fortzufahren. Ich gab ihr meinen rosafarbenen Österreichischen Führerschein - noch einen alten. Also einer der Generation rosa Fetzen, gemacht aus einer Mischung aus Stoff und Papier, meistens leicht bis stark zerfleddert und wie in meinem Falle einem Photo eines achtzehnjährigen jungen Mannes mit langen, blondierten Haaren. Die Dame nahm den Führerschein mit den lauten Worten „Oh my god, what’s that!?“ entgegen. Dann schwieg sie für ein paar Augenblicke, während sie meinen Führerschein aufmerksam begutachtete und offensichtlich auch zu lesen versuchte. Dass sie damit den Betrieb an der Kassa noch weiter bremste, war ihr offensichtlich scheiß egal. Ganz im Gegenteil. Wie aus dem Nichts sagte sie dann mit voller Stimme coram publico die folgenden Worte: Wie viele unterschiedliche Rollen ein so ein Leben mit sich bringen kann, ist schon beachtlich. Je älter ich werde, desto schwerer fällt es mir, zwischen den einzelnen Rollen zu switchen. Manchmal, wenn ich mit Tennis- oder Motorradkleidung am Klavier sitze und spontan irgendwas spiele oder schreibe, komme ich mir schon etwas seltsam vor. Aber vielleicht sind es ja auch genau diese persönlichen Vermischungen, die einen zu einem interessanten und/oder liebenswerten Menschen machen können. Keine Ahnung.
Ich werde mir wohl das nächste Mal, wenn ich an irgendeiner Supermarktkassa aufgehalten werde, die nötigen Gedanken dazu machen. Oder auch nicht. Egal in welcher Rolle man sich gerade selbst wahrnimmt oder vorm Spiegel sieht: Es gilt die Zeit zu nützen, denn sie ist rar.
New comment